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OER-Strategie der Bundesregierung

Über diese Seite

Die Seite informiert über o.g. Aktivität der deutschen Open Education Community. An Mitwirkung interessierte wenden sich an die Ansprechpersonen oder schreiben sich im verlinkten Chat-Channel ein. Die Ziele und Ergebnisse der Gruppe werden hier dokumentiert.

Ziele dieser Aktivität

Unser Ziel ist es, dass Bildungspolitik Open Education und Open Source als Standard etabliert.

Konkret sollen bildungspolitische Entscheidungstragende in Politik und Verwaltung  Argumente für Open Education/Open Source in ihre Strategien und Positionen zur Bildung in der digitalen Welt übernehmen.

Erfolgsmessung

Politische Entscheidungstragende (Ministerien, Parteien, Landtags- und Bundestagsabgeordnete) beteiligen das Bündnis Freie Bildung an der Erarbeitung von Positionen und Strategien sowie an deren Umsetzung in die Praxis.



Kontakt zur Arbeitsgruppe:

Sarah Behrens (AG Politik)
kann dich zu dieser AG und zum Editieren dieser Wiki-Seite einladen

Mitreden im Slack (Link zu Slackregistrierung,)
Link zu Channel: #activity-oer-strategie-br

Inhalt dieser Seite



Anstehende Arbeiten

  1. Erwartung der überfälligen OER-Strategie der BR, die zuletzt für Quartal 1 2022 angekündigt wurde.
  2. Kommentierung der OER-Strategie
    1. Unterstützungs- und Kooperationsmöglichkeiten
    2. Feedback falls die Strategie wünschenswerte Punkte offen lässt
  3. Beteiligung an der Umsetzung der Strategie

Nächster Termin der Gruppen

  • April/Mai - Sichtung und Feedback zur OER-Strategie
    Termin, Arbeitsformat wird noch bekanntgegeben


Mitwirkende

AG-Moderator*innen tragen hier Mitwirkende ein.

    • Dominik Theiß
    • Anja Lorenz
    • Annett Zobel
    • #### todo 
    • ...

Ergebnisse im Überblick

  1. Im September 2020 hat das Bündnis Freie Bildung einen umfassenden Vorschlag für die Strategie ausgearbeitet
  2. Einzelne Bündnismitglieder haben zu spezifischen Aspekten weitere Vorschläge und Zuarbeiten geleistet.
    1. Anja Lorenz
    2. Annett Zobel (zu IT-Fragen)
    3. ...
  3. Community-Mitglieder nahmen an Online-Dialogen zur OER-Strategie und angrenzenden Themen bei und unterstützten das BMBF in Einzelfragen. 

Erarbeitete OER-STRATEGIE (Bündnis Freie Bildung, 2020)


OER-Strategie des Bündnis Freie Bildung
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Version als geteiltes Dokument

Ausgangslage

Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Dokuments erwacht Deutschland aus einem Leben mehrwöchiger Pandemie-bedingter Einschränkungen, die das Bildungssystem vorübergehend zum Erliegen gebracht und die bestehenden Defizite im Hinblick auf Digitalisierung schmerzhaft offengelegt haben. Die digitale Agenda von Bund und Ländern wurde jahrelang verschleppt, und es wurde versäumt, Infrastruktur bereitzustellen, die in der Krise dringend benötigt worden wäre. Durch Covid-19 scheint sich in Sachen Digitalisierung der Bildung nun aber ein Quantensprung abzuzeichnen, denken wir etwa an die vielen Lehrenden, die in den letzten Wochen ins kalte Wasser gesprungen sind und ihre Kenntnisse im Bereich des E-Learnings teils immens erweitert haben.

Diesen Impulsen müssen nun weitere Maßnahmen folgen, um eine nachhaltige und der Bedeutung der Digitalität gerecht werdende Entwicklung voranzutreiben. Ihr volles Potenzial kann die Digitalisierung der Bildung nur dann entfalten, wenn sie offen erfolgt, so dass jeder und jede auf sie zugreifen und zu ihr beitragen kann. Die im November letzten Jahres verabschiedete „UNESCO Recommendation on Open Educational Resources (OER)“ stellt einen wesentlichen Meilenstein in der Etablierung offener Bildung dar. Sie fordert von den UNESCO-Mitgliedsstaaten,

  • die notwendigen Kapazitäten aufzubauen,
  • förderpolitische Rahmenbedingungen zu entwickeln,
  • einen effektiven, inklusiven und chancengerechten Zugang zu hochwertigen OER sicherzustellen,
  • die Entwicklung zukunftsfähiger Modelle für OER zu fördern und
  • die internationale Zusammenarbeit zu unterstützen.


Der Entwicklungsstand in Deutschland

Wenn wir den gegenwärtigen Stand der Etablierung offener Bildung in Deutschland betrachten, erkennen wir verschiedene Herausforderungen. Diese liegen auf der Ebene der Materialien, der Praktiken sowie der Software und der Infrastrukturen.

Offene Lehr-/Lernmaterialien sind schlecht auffindbar, weil Inhalte bisher auf zahlreiche Repositorien und Institutionsserver verteilt sind. Es besteht noch keine einheitliche Kategorisierung für verschiedene Bildungsbereiche. Die Qualität der Materialien variiert sichtlich, da sich die Qualität von OER vor allem durch vielfache Verwendung und Verbesserung erhöht und zusätzliche Qualitätsbewertungen durch Expertinnen und Experten fehlen.

Hinsichtlich der Praktiken, freie Bildungsmaterialien zu verwenden, zu erstellen und weiterzuentwickeln, ist zu konstatieren, dass es an weitreichenden und flächendeckenden Aus- und Weiterbildungsangeboten für Lehrende aller Bildungsinstitutionen mangelt. Es fehlen (fach-)didaktisch fundierte Lernszenarien mit und durch OER. Auch gibt es klare Forschungsdefizite bezüglich der effektiven Gestaltung, Anpassung und Nutzung freier Bildungsmaterialien.

Lehrende und Lernende sind mit Software und Infrastrukturen konfrontiert, die Lernen und Lehren beschränken, statt offen, nachhaltig und gestaltbar zu sein. Durch den Einsatz proprietärer Software werden für Einzelne Hürden hinsichtlich des Zugangs und für Bildungseinrichtungen Abhängigkeiten von bestimmten Softwareunternehmen (Lock-in-Effekte) geschaffen. Es fehlt an einer bundesweit vernetzten Bildungsinfrastruktur mit offenen Schnittstellen, die die Einbindung vorhandener und von den Nutzenden bevorzugter digitaler Dienste und Werkzeuge zulässt und offen ist für Innovationen.

Fortschritte sind erkennbar

Deutschland hat in den vergangenen Jahren im Hinblick auf die Erstellung und Nutzung von OER wesentliche Fortschritte erzielt. Mit der OERinfo-Förderlinie ist das Thema in allen Bildungsbereichen bekannt gemacht worden. Durch Corona wird die Verbreitung weiter voranschreiten, wie verschiedene kurzfristige Maßnahmen zeigen, etwa die Förderung der OER-Suchmaschine „WirLernenOnline“ oder die Verdopplung der Fördermittel von 5 auf 10 Mio Euro in NRW im Rahmen der OER.content.nrw-Förderlinie . Auch wenn solche kurzfristigen Maßnahmen zu begrüßen und ein erster Schritt sind, können sie nicht eine mittelfristig angelegte Strategie ersetzen, die Entwicklungstendenzen vorgibt und damit den vielfältigen Akteurinnen und Akteuren aus unterschiedlichen Bildungsbereichen und -ebenen Orientierung bietet, so dass diese ihr Handeln daran ausrichten können. Nur so kann eine flächendeckende Öffnung der Bildung in relativ kurzer Zeit gelingen. Eine solche „umfassende Strategie“ war von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigt worden, ist bisher aber trotz mehrfacher Anläufe nicht umgesetzt worden.

Das vorliegende Papier umreißt Eckpunkte einer Strategie und definiert dabei Ziele, Prinzipien und Herangehensweisen, die aus Sicht des Bündnisses Freie Bildung beachtet werden müssen. Damit kann der sich abzeichnende Weg von OER in den deutschen Bildungsalltag in den kommenden Jahren planvoll, zügig und möglichst weitreichend beschritten werden. Das Papier soll die Strategie der Bundesregierung nicht ersetzen, die zudem ja auch mit den für Schule und Hochschule zuständigen Ländern abgestimmt werden müsste, um wirklich „umfassend“ zu sein. Aber es will den zur Verabschiedung einer abgestimmten Strategie von Bund und Ländern notwendigen Diskussions- und Abstimmungsprozess vorantreiben, Impulse geben und dazu beitragen, dass die zweifelsohne in den kommenden Jahren zu erwartenden weiteren Maßnahmen zur Förderung von OER eine stabile strategische Fundierung erhalten. Diese wurde unter Einbeziehung aller wichtigen Interessengruppen partizipativ entwickelt, wobei auch die Erwartungen der deutschen Open-Education-Bewegung angemessen berücksichtigt wurden. Nicht zuletzt will es damit proaktiv den Dialog initiieren und intensivieren und so das für die Diskussion zur Verfügung stehende Zeitfenster vergrößern.

Leitprinzipien

Bevor im Folgenden Aktionsfelder und konkrete Maßnahmen für die Etablierung offener Bildung skizziert werden, soll es in diesem Abschnitt um drei zentrale Prinzipien gehen, die aus Sicht des Bündnisses Freie Bildung die anstehende Strategieentwicklung leiten sollten.

Digitale Nachhaltigkeit: Bildung ressourcenschonend transformieren

Im Aktionsplan „Natürlich.Digital.Nachhaltig“ (2019) stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) klar heraus, dass die Digitalisierung zahlreiche Chancen für eine nachhaltige Entwicklung bietet: „Richtig umgesetzt kann die Digitalisierung […] umfassende soziale Innovationen ermöglichen, beispielsweise für gesellschaftliche Teilhabe, Bürgerpartizipation [oder] lebenslanges Lernen […]“ (S. 6).

Digitalisierung und nachhaltige Entwicklung sind Querschnittsthemen, die den gesamten Bildungsbereich prägen und – bei richtiger Umsetzung – mehr Teilhabe ermöglichen. Dabei werden gemeinhin drei Nachhaltigkeitsdimensionen, auch bekannt als Drei-Säulen-Modell, unterschieden: die ökologische, die wirtschaftliche und die gesellschaftliche. Diese Nachhaltigkeitsdimensionen wurden im Rahmen eines Fachgesprächs des Umweltbundesamtes (S. 47) im Jahr 2014 auf die Softwareentwicklung übertragen. Im selben Jahr formulierte Matthias Stürmer, Leiter der Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit an der Universität Bern, zehn Voraussetzungen für digitale Nachhaltigkeit, die sich auch auf den immateriellen Aspekt digitaler Ressourcen beziehen.

Diese Kriterien nachhaltiger Software können auf Bildungsinfrastrukturen angewandt werden:

  • Ökologischer Aspekt: Bildungsinfrastrukturen sind dann ökologisch nachhaltig, wenn sie möglichst geringe Hardware-Anforderungen stellen und wenig Energie verbrauchen. Bildungsinfrastrukturen müssen sich vernetzen und unkompliziert skalieren lassen, um vorhandene Ressourcen bestmöglich zu nutzen.
  • Wirtschaftlicher Aspekt: Nachhaltige Bildungsinfrastrukturen zeichnen sich durch eine modulare und auf Open-Source-Produkten basierende Architektur aus. Dadurch können Lock-in-Effekte vermieden sowie ein Austausch der verwendeten Komponenten und Interoperabilität ermöglicht werden.
  • Gesellschaftlicher Aspekt: In nachhaltigen Bildungsinfrastrukturen bereitgestellte Inhalte stehen Nutzenden ohne Zugangsbeschränkung in einem leicht nachnutzbaren Format zur Verfügung. Außerdem können diese gemäß den 5 V-Freiheiten von OEP genutzt und weiterverwendet werden.

Digital Literacies: offene Materialien und Technologien für mehr digitale Mündigkeit

Das Thema Bildung und Digitalisierung hat die Kultusministerkonferenz als eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit benannt und daher eine Strategie für eine „Bildung in der digitalen Welt“ erarbeitet. Studien wie die International Computer and Information Literacy Study (ICILS) zeigen, wie groß der Handlungsbedarf gerade in Deutschland ist. Doch auch wenn das Potenzial zur Gestaltung neuer Lehr- und Lernprozesse grundsätzlich erkannt ist, zeichnen sich die meisten der bislang entwickelten Ansätze durch einen starken Fokus auf technische Fragen aus. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur in Bildungseinrichtungen, der etwa durch den Digitalpakt Schule gelingen soll, ist ein notwendiger Baustein für eine zeitgemäße Bildung in der digitalen Welt. Doch es braucht weit mehr als digitale Technologien und technische Fertigkeiten. Nötig ist ein breiteres Verständnis von Medienkompetenz (Digital Literacies).

Für eine demokratische und partizipative Gesellschaft sind Fähigkeiten wie kritisches Denken, kollaboratives Arbeiten und kreative Teilhabe im offenen Netz essenziell. Diese persönlichen Fähigkeiten müssen gestärkt und gefördert werden. Sie sind notwendige Voraussetzungen, um in einer digital geprägten Welt souverän zu handeln und teilzuhaben. Dazu gehören Fähigkeiten wie: Daten und Informationen finden, hinterfragen, kontextualisieren oder bewerten; sich mit anderen austauschen, gemeinsam mit anderen Inhalte kreieren und an gesellschaftlichen Diskursen partizipieren. Zugleich geht es darum, ein Bewusstsein für die sich konstant verändernden Funktionsweisen digitaler Technologien zu entwickeln und kreativ Lösungen für individuelle Probleme und Herausforderungen zu finden. Dies gilt für das generelle Verständnis von zeitgemäßer Bildung, das unserer Arbeit zugrunde liegt, wie für Konzepte der Lehrkräftebildung.

Das Ziel einer Bildung in der digitalen Welt sollte also sein, Menschen darin zu unterstützen, das Netz als offene und öffentliche Ressource zu entdecken, lebenslang zu nutzen, gemeinschaftlich zu gestalten und neu zu erfinden. Denn Lernende, die gemeinsam freie Bildungsmaterialien (Open Educational Resources) entwickeln, veröffentlichen und von Lehrenden Feedback bekommen, haben mehr Möglichkeiten, Elemente der Digital Literacies auszubilden, als wenn sie Inhalte über eine App oder ein Schulbuch lediglich „konsumieren“. OER sind ein Werkzeug zur Verringerung der digitalen Spaltung, also der bestehenden Ungleichheit des Zugangs zu und der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie.

Bildungsgerechtigkeit: Open Education für mehr Teilhabe an Bildung

Eine gute Bildung ist abhängig vom sozioökonomischen Status, was in der aktuellen Krise besonders deutlich wird. Ob Lernende an Bildung teilhaben können, darf aber nicht von Geldbeutel oder Bildungsstand der Eltern abhängen. Um allen eine gute Bildung zu ermöglichen, braucht es sozialverträgliche Maßnahmen, wie offene Technologien und Lernmaterialien.

In Deutschland liegt der Anteil der Geringqualifizierten, die die Schule ohne weiterführenden Abschluss verlassen, mit 13 Prozent relativ hoch. Das kann zu gesellschaftlichen Problemen führen. Der letzte Bericht der OECD zeigt: Die Beschäftigungsquoten steigen mit dem Grad des erreichten Bildungsabschlusses. So sind nur 57 Prozent der 25- bis 34-Jährigen ohne Abschluss im Sekundarbereich II erwerbstätig. Bei den höher gebildeten Gleichaltrigen liegt die Quote bei 84 Prozent. Unabhängig von diesen ökonomischen Aspekten sinken die Möglichkeiten politischer Teilhabe, woraus sich auch Gefahren für die Demokratie ergeben. Denn Menschen mit niedrigem Bildungsstand wirken zunehmend seltener politisch mit.

Deutschland ist in den letzten Jahren vorangekommen und mit Maßnahmen wie dem Paket „Bildung und Teilhabe“ auf einem guten Weg. Aber ein chancengleiches Bildungssystem liegt noch in weiter Ferne. Mithilfe moderner Technologien wurden in den letzten Jahren weltweit neue technikbasierte Bildungsformate etabliert, deren kollektive Verfügbarkeit die soziale Ungleichheit jedoch nicht beseitigt hat. Im Gegenteil: Die Ungleichheit hat sich verstärkt, weil diese Entwicklungen sehr schnell und sehr komplex sind und die Gesellschaft Gefahr läuft, in ökonomisch-technologische Anschlusszwänge zu geraten. Mit zunehmender Bedeutung digitalen Lernens während der Corona-Krise zeigt sich, dass fehlende oder veraltete Endgeräte Lernenden den Weg ins virtuelle Klassenzimmer oder Peer-Learning unmöglich machen. Das angekündigte Sofortprogramm, das der Koalitionsausschuss am 22. April beschlossen hat, setzt hier ein gutes Zeichen.

Aber Geräte allein genügen nicht. Erforderlich sind auch die richtige Software, Infrastruktur und insbesondere Bildungsformate, die einen sinnvollen Einsatz digitaler Tools und eine auf das Individuum zugeschnittene Bildung ermöglichen.

Mit der Förderung von Open-Source-Technologien und -Materialien kann das gelingen, da sie auf Anschlussfähigkeit setzen und für die Nutzenden möglichst kostenlose Angebote schaffen. Solche freien Tools und OER sind insbesondere vor dem Hintergrund des selbst gesteuerten und binnendifferenzierten Lernens ein wichtiges Hilfsmittel. Außerdem können die gemeinsame Produktion, Nutzung und Verbreitung von OER Ungleichheitsstrukturen aufbrechen, weil sie auf dezentralen Plattformen angeboten und daher barrierefrei zugänglich sind.

Um eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen, ist eine prinzipielle Offenheit nicht nur für den Zugang zu OER von erheblicher Bedeutung. Zum Abbau struktureller Diskriminierung tragen auch die freien Gestaltungsmöglichkeiten des offenen Materials und die daraus resultierende Diversität an Bildungsangeboten bei. Infolgedessen haben OER ein großes Innovationspotenzial, das auch ihr essenzieller Vorteil gegenüber urheberrechtlich geschützten klassischen Schulbüchern ist. Dies kommt insbesondere Schülerinnen und Schülern zugute, deren Potenzial durch die klassischen Lehrwerke nicht ausgeschöpft werden kann. Zu ihnen zählen neben Menschen mit besonderen Förderbedarfen oder solchen, deren Familiensprache nicht Deutsch ist, auch Lernende mit Hoch- und Teilbegabungen. Durch zielgerichtete Förderungen und Investitionen in barrierefreie Zugänge zu Bildungsmaterialien werden letztendlich auch Wohlstand, Lebensqualität und die internationale Position Deutschlands gestärkt.

Damit werden Inklusionsansätze und konstruktivistischer Unterricht, wie in der vom BMBF dokumentierten Qualitätsoffensive „Verzahnung von Theorie und Praxis im Lehramtsstudium“ (2019) gefordert, nicht nur als abstrakte Leitidee pädagogischen Handelns vorgegeben, sondern sind in der Idee der kollaborativen Erstellung neuer Bildungsmaterialien bereits enthalten.

Aktionsfelder

Kern dieses Papiers sind konkrete Maßnahmen, die dabei helfen, Open Education, d. h. freie Bildungsmaterialien, Praktiken und Infrastrukturen, möglichst umfassend anzubieten und so eine offene Bildung zu etablieren, die möglichst vielen zugutekommt.

Öffentliches Geld, öffentliches Gut

Was mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, soll frei nutzbar sein. So sollen Bildungsmaterialien, die mit öffentlichen Mitteln (ko-)finanziert werden, standardmäßig als OER freigegeben sowie in offenen Formaten bereitgestellt werden, um so auch für Dritte nutzbar zu sein.

Die Bereitstellung unter einer offenen Lizenz soll es allen erlauben, steuerfinanzierte Bildungsmaterialien ohne Einschränkungen zu verwahren, zu verwenden, zu verarbeiten, zu vermischen und zu verbreiten (5 V-Freiheiten für Offenheit nach David Wiley). Dies ermöglicht es Lehrenden, Zuschnitt und Umfang von Materialien besser an die Bedürfnisse der Lernenden und den jeweiligen Kontext anzupassen, sie aktuell zu halten und weltweit legal auszutauschen. Dafür sollten Nutzungsrechte verwendet werden, wie sie beispielsweise durch die Creative-Commons-Lizenzen CC BY oder CC BY-SA bzw. die Freigabe-Erklärung CC0 erteilt werden. Eine Abweichung von diesem Grundsatz sollte begründet werden müssen.

Bei allen Texten und Materialien, die von Behörden zur Verfügung gestellt werden und aufgrund der rechtlichen Vorgaben als gemeinfrei gelten, ist explizit auf diesen Sachverhalt hinzuweisen.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Dokumentationen, Grafiken, Interviews und O-Töne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks können das Lernen und Lehren bereichern. Oft ist es nutzungs- oder urheberrechtlich aber nicht möglich, die Inhalte herunterzuladen, anzupassen oder in den eigenen Unterricht aufzunehmen. Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ein Vollprogramm aus Information, Bildung und Unterhaltung anzubieten, muss auch für den Online-Bereich gelten. Um Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, müssen die Chancen der Digitalisierung vor allem im Bereich der Bildung genutzt werden. Die Produktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die mit öffentlichen Geldern finanziert wurden, müssen frei lizenziert werden und somit als freie Bildungsmaterialien in formellen und informellen Bildungskontexten zur Verfügung stehen.

Sensibilisierung und Capacity Building

Damit OER in der Bildungspraxis verankert werden, ist Lernen mittels OER unerlässlich. Zum einen geht es dabei um Input zu rechtlichen Aspekten und den Umgang mit OER, zum anderen um kontinuierlichen Support bei ihrer praktischen Anwendung.

Dafür werden Aus- und Weiterbildungsprogramme für Lehrende benötigt, die die Nutzung, Erstellung und Verbreitung von OER sowie die Handhabung von Plattformen vermitteln. Die Schulung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ist ebenfalls zu befürworten, damit bei konkret auftretenden Fragen von Lehrenden kurze Wege zu entsprechend geschulten und beratenden Kolleginnen und Kollegen genutzt werden können. Diese Maßnahmen lassen sich ausgezeichnet mit medienpädagogischen und mediendidaktischen Weiterbildungsstrukturen kombinieren, da das volle Potenzial von OER vor allem im digitalen Kontext ausgeschöpft werden kann. Ein webbasierter Rechte-Check könnte die Lehrenden und die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren unterstützen.

Darüber hinaus erfordert die Verankerung von OER in der Bildungspraxis Austausch, Peer-to-Peer-Lernen und Community Building. In den zurückliegenden Jahren wurde dies insbesondere mit regelmäßig stattfindenden OERcamps erreicht. Eine Fortsetzung und Ausweitung der Förderung solcher Austauschformate können nicht nur dazu beitragen, dass die OER Community weiter wächst. Vor allem haben OER-Akteurinnen und -Akteure so weiterhin eine Anlaufstelle, um ihre Projekte vorzustellen, die Projekte anderer aufzugreifen und gemeinsam neue und innovative offene Bildungsformate zu entwickeln. Durch diesen Ansatz werden Kollaboration und eine Kultur des Teilens praktisch erlebbar gemacht. OER sind dann mehr als nur offen lizenzierte Materialien: Sie tragen zugleich zur Entwicklung offener Bildungspraktiken bei. Hierzu sollte der bildungsbereichsübergreifende Ansatz der Informationsstelle für Open Educational Resources (kurz: OERinfo) und der bisherigen OERcamps beibehalten werden.

Herstellung von Contents

In den sogenannten Lernmittelzulassungsverordnungen ist auf Länderebene festgelegt, ob Schulbücher in einem Zulassungsverfahren geprüft und ausgesucht werden müssen oder die Auswahl der Lernmittel bei den Schulen selbst liegt. Ob sich die offene Erstellung und Lizenzierung von Lehr-/Lernmaterialien verbreiten werden, hängt maßgeblich von der Weiterentwicklung bzw. Öffnung der gängigen Entwicklungs-, Zulassungs- und Finanzierungsverfahren ab. Wir befürworten die Empfehlung von Lehrmitteln als Hilfestellung für die Auswahl, halten eine damit verbundene Beschränkung auf eine verbindliche Liste aber im Hinblick auf die Aktualisierungszyklen und die Vielfalt digitaler Lehrmittel für unzeitgemäß. Die Bundesländer sollten Lehrenden einen größeren Entscheidungsspielraum geben. Dafür sind strukturelle und kommunikative Maßnahmen erforderlich.

Einige Bundesländer verzichten bereits vollständig auf ein formales Zulassungsverfahren von Schulbüchern durch ihr Kultusministerium und überlassen die Auswahl der Lehr- und Lernmaterialien den Schulen bzw. Schulleitungen. Die Zulassungsregelungen und die Bildungsfinanzierung müssen weiter für freie Lehrmaterialien geöffnet werden, so dass OER konkurrenzfähig werden.

Impulsvorhaben für die Förderung von OER sind bereits vorhanden. Zielführend sind z. B. Ausschreibungsverfahren oder Wettbewerbe für die Erstellung von OER, wie sie bereits in Norwegen oder NRW praktiziert werden. Die Digitalisierungsoffensive des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen ist ein positives Beispiel für die Förderung der Produktion digitaler Lehr- und Lernangebote. Die Förderlinie „OERContent.nrw“ ermöglicht den betreffenden Hochschulen einen Vorsprung beim Gelingen zeitgemäßer Bildung, der nun durch abgestimmte Programme und die Förderung weiterer Länder und Ministerien aufgeholt werden muss. Eine Förderung von Strukturbildung ist dabei sinnvoller und nachhaltiger als die Unterstützung weniger konkreter Projekte zur Contentproduktion. Lehrende, die OER erstellen, kuratieren oder verwalten, sollen aktiv durch Abminderungsstunden unterstützt werden. Ebenso soll die OER-Erstellung auf das Lehrdeputat von Hochschullehrenden anrechenbar sein. Es sollen Anreize sowie rechtliche und infrastrukturelle Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die von Lehrenden entwickelten Texte und Lehrmaterialien standardmäßig als OER bereitgestellt werden können. Dafür sind Formate nötig, mit denen die Lehrenden effizient und qualitativ hochwertig arbeiten können. Dazu eignen sich kollaborative Formate, wie die OERcamp Werkstatt oder der edulabs edusprint, in dessen Rahmen ein erfahrenes Fachpublikum in gemischten Teams innerhalb eines kurzen Zeitraums konzentriert gemeinschaftlich Materialien erstellt, sichtet und diskutiert. Solche Peer-Review-Verfahren tragen entscheidend zur Qualitätssicherung von OER bei.

Infrastruktur

Die Ausstattung und Infrastruktur an Schulen, Hochschulen und in der Weiterbildung sind zentrale Themen und stehen im Kontext der Covid-19-Krise besonders im Fokus. Auch die langfristige Finanzierung und Wartung sowie der Datenschutz sind grundlegende Probleme, die Bildungsträger vor große Herausforderungen stellen. Die Verwendung von Open-Source-Technologien in Verbindung mit lokalen Service-Einrichtungen wie Landesmedienzentren kann hier insofern Abhilfe schaffen, als Daten transparent und lokal gespeichert werden, und zwar an bereits bestehenden Einrichtungen. Open-Source-Technologien passen von der Idee und der Ausrichtung her gut in eine moderne, selbst organisierte und lernende Schule, indem sie die Eigenverantwortlichkeit stärken und unabhängig machen. Das BMBF sollte Anschaffungen, die im Rahmen des Digitalpakts oder ähnlicher Maßnahmen gefördert werden, mit entsprechenden Empfehlungen versehen.

Neue, innovative Lehr- und Lernprozesse werden häufig im Zuge des Experimentierens  entwickelt. Lehrende und Lernende sollten deshalb verstärkt darin unterstützt werden, im Sinne des lebenslangen Lernens neue Ansätze zu erproben. Schulen, Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen brauchen daher nicht nur die Infrastruktur zur Unterstützung etablierter E-Learning-Ansätze (wie z. B. Learning-Management-Systeme, Repositorien und Suchmaschinen), sondern auch Infrastrukturen, die es ermöglichen, kurzfristig und flexibel auf die spezifischen Anforderungen einzelner innovativer Projekte zu reagieren. Für die Realisation dieser Vorhaben braucht es Lern-, Publikations- und Kommunikationstools.

Open-Source-Technologien sind nicht nur für infrastrukturelle Aspekte zentral, sondern auch für die Herausbildung von Kompetenzen bei Lernenden: Die formale Lehre steht vor der Herausforderung, zeitgemäße Kompetenzen zu vermitteln, insbesondere auch für den digitalen Raum. Das geschieht allerdings häufig mittels einer digitalisierten Bildung, die sich auf den Ersatz von Lehrmitteln beschränkt. Weit weniger werden Fähigkeiten gefördert, die über die Anwendung von Tools hinausgehen. Erforderlich ist eine „offene Technologiebildung“, also Ansätze, die die technische Funktion in den Mittelpunkt stellen und einen selbstbestimmten Umgang mit Technologie fördern.

Um die nötigen Kompetenzen von Bildungseinrichtungen nicht überzustrapazieren, sind offene Räume unerlässlich, in denen Lernende und Lehrende sich selbstbestimmt mit Technologie auseinandersetzen können, um eigene Zugänge zu entwickeln. Solche Zugänge ermöglichen deutschlandweit zahlreiche außerschulische Bildungsangebote wie Offene Werkstätten, Bibliotheken oder mobile Projekte. Um die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Fortbildungseinrichtungen und solchen Orten zu fördern – einerseits als schulisch-außerschulische Lernorte, andererseits aber auch als Fortbildungsstätten für Lehrende –, sind strukturelle Anreize erforderlich.

Qualitätssicherung

Qualitätssicherung von OER ist ein Thema, dessen Bedeutung in der deutschen und internationalen Diskussion über OER häufig betont wird. Grundsätzlich ist wichtig, dass bei der Herstellung von OER sowohl alle etablierten Qualitätssicherungsverfahren (z. B Lektorat, Peer Review) zum Einsatz kommen können als auch zusätzliche neue Verfahren wie etwa das Einsammeln von Nutzerfeedback mittels digitaler Bewertungssysteme und die direkte Anpassbarkeit von Ressourcen durch die Nutzenden. So gliedert Qualitätssicherung sich in Kriterien, Formate und Nutzungsszenarien auf. Bislang wird die Diskussion oft zu undifferenziert geführt und berücksichtigt zu selten die mit dem Einsatz von OER verbundenen unterschiedlichen Zielsetzungen in ausreichendem Maß. Was hochqualitativ ist und was nicht, hängt immer vom jeweiligen Einsatzzweck ab. Es liegt deshalb nahe, bei der Herstellung freier Lehrbücher für den flächendeckenden Einsatz in Schulen andere Qualitätsmaßstäbe anzulegen als etwa bei studentischen Publikationsprojekten, bei denen der Schwerpunkt u. U. weniger auf der produzierten Ressource als der im Zuge ihrer Erstellung erzielten Lernerfahrung der Studierenden liegt. Bei der Definition notwendiger Maßnahmen sollte also immer mit Augenmaß agiert und sichergestellt werden, dass der Qualitätssicherungsprozess zu den mit der Publikationsform verfolgten Zielen passt. Kernelemente einer zielführenden Qualitätssicherung sind daher das Testen und Evaluieren verschiedener Qualitätskriterien für unterschiedliche Formate und Kontexte.

Urheberrecht

Lehrende und Lernende brauchen auch den Zugang zur zeitgenössischen Kultur. Ausnahmen vom Urheberrecht müssen daher Teil der Nutzerrechte im Bildungsbereich sein. Um das Lehren und Lernen in jedem Rahmen und zu jedem Thema gelingen zu lassen, ist es nötig, alle möglichen Materialien – auch solche, die noch durch das Urheberrecht geschützt sind – für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Um einen rechtssicheren Unterricht zu gewährleisten, ist eine internationale, weit gefasste Ausnahmeregelung erforderlich, die es allen erlaubt, alle Arten von Inhalten (analog und digital) für Bildungszwecke zu verwenden, zu kopieren und umzuwandeln. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, eine (zumindest europaweite) einheitliche Lösung zu finden.

Die in letzter Zeit getroffenen Maßnahmen zur Reform des Urheberrechts für Bildung und Wissenschaft sind zu begrüßen, aber nicht ausreichend, um die spezifischen Potenziale digitaler Bildung vollständig zu nutzen. Um die Anforderungen digitaler Bildung mit der Autonomie der Urheberinnen und Urheber in Einklang zu bringen, wird es auch in den kommenden Jahren unumgänglich sein, den begonnenen Weg der Nutzung offener Lizenzen fortzuführen und auszuweiten. In diesem Zusammenhang ist der von Creative Commons bereitgestellte Lizenzrahmen hervorzuheben, der sich in den letzten Jahren in der Praxis bewährt hat und international anschlussfähig ist.

Wirtschaftlichkeit

Investitionen in geschlossene und proprietäre Systeme erschweren oder verhindern langfristig freie Bildung und stellen Abhängigkeiten her. Bildung ist ein Gemeingut und sollte daher allen zugänglich sein. Eine entsprechend wichtige Rolle spielt der Aufbau von öffentlich geförderten Strukturen. Die Förderung von Bildung als Gemeingut kann im Gegenzug dazu beitragen, soziale Bildungsungleichheit zu verringern und gesellschaftliche Partizipation zu stärken. Diese Entwicklung wird durch den aktuellen Handlungsdruck aufgrund der Corona-Pandemie noch verstärkt.

Die Entwicklung und Bereitstellung von OER bedürfen einer soliden finanziellen Grundlage. Dies kann durch Bereit- oder Freistellung personeller Kapazitäten oder durch die direkte Finanzierung der OER-Produktion gewährleistet werden. Ausschreibungen und Förderprogramme sollten als Ergebnis offen lizenzierte Materialien in offenen Dateiformaten fordern, finanzieren und so deren freie Nutzung und Weiterbearbeitung ermöglichen.

Forschungsförderung 

Open Education ist mit einer Reihe von Versprechen, etwa der Öffnung und Demokratisierung von Bildung, verbunden. Um die Wirkung von OER und offenen Bildungspraktiken jenseits idealistischer Vorstellungen messen zu können, ist Grundlagenforschung erforderlich, am besten in enger Zusammenarbeit von Wissenschaft und OER Community. Das könnte so aussehen, dass in einem ersten Schritt relevante Forschungsfragen (für jeden Bildungsbereich sowie übergeordnet) von der Community formuliert und auf einer Webseite gesammelt und diskutiert werden. In einem zweiten Schritt könnte darauf aufbauend ein abgestimmtes Förderprogramm initiiert werden: Interessierte Personen könnten sich um die Bearbeitung einer oder mehrerer Forschungsfragen bewerben. Eine aus der Wissenschafts- und OER Community stammende Jury würde Projekte auswählen und dem BMBF zur Förderung empfehlen. Vorbild hierfür sind Programme wie der Prototype Fund.

Datenschutz

Bei der Nutzung von OER und im Kontext einer offenen Bildungspraxis findet Lehren und Lernen häufig im Internet statt. Hierzu werden Tools z. B. für die Kollaboration benötigt. Gerade für den schulischen Einsatz und für ein offenes, freies Arbeiten im Netz ist dabei entscheidend, dass Datenschutz gewährleistet ist. Um dies zu ermöglichen, sollten zum einen der Ausbau von Open-Source-Software für Bildungszwecke gefördert und Bildungsinstitutionen bei der lokalen Bereitstellung und Wartung entsprechender Tools unterstützt werden. So wäre sichergestellt, dass Daten auf den jeweils eigenen Servern liegen; zudem wäre die Datenverwendung durch den öffentlich zugänglichen Code für alle transparent. Zum anderen könnten Initiativen wie z. B. tosdr.org ausgebaut werden. Sie ermöglichen Lehrenden einen schnellen Überblick über die Nutzungsbedingungen bestimmter Tools, indem diese klar und übersichtlich klassifiziert und mögliche Schwachstellen benannt werden. Auf diese Weise könnte zu einem reflektierten und datenschutzkonformen Umgang mit Webtools beigetragen werden.


Inhalte stehen unter der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0 und können unter Angabe des Urhebers „Bündnis Freie Bildung” wiederverwendet werden.Details zu den Bedingungen siehe https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Weitere Schriftliche Eingaben zur OER-Strategie von Communitymitgliedern



Schriftliche Eingabe zur OER-Strategie,  Anja Lorenz

Kernpositionen

  • OER sind keine besonders progressive oder nerdige Erscheinungsform bei Lernmaterialien, sondern die Konsequenz aus rechtlichen Nutzungshemmnissen, die dem Einsatz in zeitgemäßen Bildungsformaten entgegenstehen.
  • Das BMBF sollte die freie Lizenzierung von Bildungsmaterialien, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, zur Bedingung machen und damit zum Standard erklären. Die Reduktion auf CC0 und CC BY verringert die Komplexität.
  • Das BMBF sollte die Aus- und Weiterbildung von didaktischen Kompetenzen fördern, die für den gestalterischen Umgang mit Materialien in offenen Lernszenarien nötig sind.
  • Das BMBF sollte Maßnahmen zur Sicherung der Barrierefreiheit sowie zur Qualitätssicherung von Bildungsmaterialien fordern und fördern. Potentiale zur kontinuierlichen Verbesserung und Differenzierung sind zu berücksichtigen.

Stellungnahme

Als Grundlage für eine OER-Strategie des Bundes erscheint mir zunächst eine grundsätzliche Auseinandersetzung damit nötig, welche Rolle Bildungsmaterialien in einer digitalisierten Gesellschaft spielen. Aus dieser lassen sich Schlüsse ziehen, welche Eigenschaften und Prozesse für Bildungsmaterialien wichtig sind (s. Ausführungen unter Abschnitt 1).

Die aktuellen Urheberrechtsschranken für Bildung und Unterricht reichen für diese Anforderungen nicht aus, einzelne Nutzungsverträge werden zu komplex und wenig alltagstauglich, vor allem, wenn zukünftig neue Nutzungsarten und Technologien hinzukommen (wie wir es aktuell bei webbasierten Nutzungen oder der algorithmischen Verarbeitung erleben). OER sind damit keine besonders progressive oder nerdige Erscheinungsform bei Lernmaterialien, sondern die Konsequenz aus Nutzungshemmnissen, die durch die aktuelle Ausgestaltung des Urheberrechts entstehen, und nach aktuellem Stand zur Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie 2019/790[] sehr wahrscheinlich nicht behoben werden.

Für die Reflexion der gegebenen Thesen im Bereich Mensch und der gestellten Leitfragen habe ich mich zudem mit der Rolle der OER-Strategie im föderalen Bildungssystem auseinandergesetzt (s. Abschnitt 2).

Auf dieser Grundlage werden ausgehend von den Thesen und Leitfragen in Abschnitt 3 die Themenbereiche Zugang, Didaktik, Inklusion, Lizenzierung und Qualitätssicherung diskutiert. Die formulierten Kernpositionen stützen sich auf diese Argumentation.

1. Zielsetzung: Bildungsmaterialien in einer digitalisierten Gesellschaft

Bildungsmaterialien in einer digitalisierten Gesellschaft dürfen keine statischen Produkte (mehr) sein. Durch digitale oder digital gestützte Produktions-, Bearbeitungs- und Unterrichtsprozesse werden neue Anforderungen deutlich. Sie sollten im Idealfall:

  • zeitgemäße Bildung, d.h. insbesondere den Erwerb und Ausbau von Kompetenzen zur Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken (4K[]), unterstützen,
  • unabhängig von individuellen Gegebenheiten der Lernenden und Lehrenden (insb. sozialer Status, geistige oder körperliche Beeinträchtigungen) zugänglich sein,
  • in einer heterogenen Infrastruktur bzgl. Hard- und Software nutzbar sein und
  • keine Abstriche bei der Qualitätssicherung und dem Aktualisierungsgrad machen müssen.

Um diesen Ansprüchen zu genügen, müssen Bildungsmaterialien in Zukunft die rechtlichen und technischen Voraussetzungen mitbringen um:

  • sie allein oder gemeinsam mit mehreren Personen aktiv zu be- und verarbeiten,
  • sie an individuelle Gegebenheiten oder Beeinträchtigungen bestmöglich anzupassen,
  • sie ohne die Beschränkung auf ein bestimmtes technisches Endgerät, eine festgelegte Software-Lösung oder Lernplattform einzusetzen und
  • Fehler, Darstellungsprobleme, sowie veraltete Informationsstände zu verbessern oder zu beheben.

Weiterhin dürfen ökonomische Kriterien nicht außer Acht gelassen werden. Hier können digital verfügbare Bildungsmaterialien einen enormen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit leisten, da nahezu keine variablen Kosten bei höheren Nutzungszahlen anfallen. Dieser Vorteil muss genutzt werden, um den Zugriff auf Bildungsmaterialien, deren Fixkosten (Produktion, Wartung, Aktualisierung etc.) aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden[], für alle kostenfrei zu ermöglichen. Nur so können die Bildungschancen zunehmend vom sozialen Status entkoppelt werden.

Aus diesen Ansprüchen und den daraus abgeleiteten Voraussetzungen ziehe ich folgende Schlüsse:

  1. Be- und Verarbeitung muss hinsichtlich der folgenden Kontexte rechtlich und technisch möglich sein:
    • im Rahmen und als Teil von Bildungsprozessen,
    • zur Anpassung an individuelle Vorlieben (bspw. Schriftbild oder Darstellung im Vollbild),
    • zum Ausgleich oder zur Abmilderung individueller Beeinträchtigungen (bspw. Untertitelung) und
    • zur inhaltlichen, didaktischen und technischen Aktualisierung.
  2. Die Verwaltung von Bildungsmaterialien muss für folgende Anspruchsgruppen möglich und alltagstauglich sein:
    • Lernende (bspw. zur Dokumentation der eigenen Lernprozesse),
    • Lehrende (bspw. zur Planung von Lehrveranstaltungen),
    • Bildungsinstitutionen (bspw. zur Bereitstellung erprobter Materialien aus den Vorjahren),
    • Verantwortliche Behörden in den Ländern (bspw. zur Bereitstellung qualitätsgesicherter und auf den Lehrplan abgestimmter Materialien),
    • Übergreifende Zusammenschlüssen (bspw. zu Schwerpunktthemen wie aktuell der KI-Campus) und
    • Akteurinnen und Akteure, die eigene Materialien bereitstellen (bspw. Lehrkräfte, Verlage, Museen, Forschungseinrichtungen).
  3. Zur pragmatischen und alltagstauglichen Arbeit mit der enormen Vielzahl und Vielfalt an Bildungsmaterialien sind Prozesse und Infrastrukturen für folgende weitere Aufgaben nötig:
    • Kuratierung von Bildungsmaterialien für spezifische, insb. formale Bildungsbereiche,
    • Qualitätssicherung und -bewertung von Bildungsmaterialien, die in kuratierten Sammlungen vorgeschlagen werden, und
    • Auffindbarkeit und Filterung von Bildungsmaterialien passend zu den jeweiligen Einsatzzwecken.

Die Bereitstellung und der Einsatz von Bildungsmaterialien unter diesen Gesichtspunkten sind unter klassischen geschlossenen Nutzungslizenzen nicht abbildbar. Die Bildungs- und Wissenschaftsschranken im Urheberrecht sind nicht ausreichend, individuelle Rechteeinräumung und damit verbundene Aushandlung von Verträgen zur weiteren Nutzung zu komplex und wenig alltagstauglich.

Open Educational Resources (OER) sind dagegen eine Lösung zur rechtssicheren und zeitgemäßen Arbeit mit Bildungsmaterialien. Sie erweitern die Möglichkeiten zur Produktion und Nutzung und können dennoch auf etablierten Strukturen aufsetzen[]. Dabei stehen sie marktwirtschaftlichen Überlegungen nicht im Weg: Auch bei OER müssen Leistungen wie die Erstellung, Qualitätssicherung, Wartung etc. finanziert werden. Verlage und Agenturen haben hier durch ihre langjährige Erfahrung durchaus Vorteile, aber es entstehen auch Chancen zum Markteintritt für neue Stakeholder, Produkte und Dienstleistungen. Gerade durch offene Lizenzen, aber auch durch offene Formate können Teilleistungen unabhängig zugunsten des besten Angebots vergeben und so ein Lock-In-Effekt vermieden werden.

2. Rolle der OER-Strategie des Bundes

Ich halte die OER-Strategie des Bundes mit Blick auf die in Abschnitt 1 beschriebenen Anforderungen für einen wichtigen und konsequenten Schritt. Sie folgt auf zwei größere vorausgegangene Förderprogramme:

  • 2015 wurden mit Mapping OER und die Machbarkeitsstudie zu OER erste umfassende Analysen des Themenfelds und Entwicklungsstands durchgeführt,
  • 2016–2018 wurden über die OERinfo-Förderlinie Angebote für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geschaffen und das Thema weiteren Personen zugänglich gemacht.

Auf Ebene vieler Bundesländer wurde das Thema OER ebenfalls im Zuge ihrer Digitalisierungsstrategien bearbeitet. Sichtbar wird das insb. in der Förderung dedizierter OER-Plattformen und -Repositorien, wie bspw. ZOERR (https://www.oerbw.de/) in Baden-Württemberg, OERContent.nrw (https://mkw.nrw/pesse/OERContent) in Nordrhein-Westfahlen oder die Hamburg Open Online University (https://www.hoou.de/) in Hamburg. Es zeigt sich aber auch zunehmend, dass von den Ländern geförderte Projekte, die nicht speziell das Thema OER adressieren, mit Materialien unter freier Lizenz arbeiten, bspw. Future Skills (https://futureskills-sh.de/) in Schleswig-Holstein oder die digitalen Sammlungen der Landesbibliotheken in Sachsen oder Niedersachsen (bspw. https://digital.slub-dresden.de/kollektionen/).

Kurzum: Es tut sich was und aus meinen Beobachtungen zu einigen personellen Überschneidungen stelle ich die These auf, dass neben den Bottom-Up-Bemühungen aus der OER-Community die Bundesförderungen seit 2015 einen wesentlichen Beitrag zu den jeweiligen Landesprojekten geleistet hat. In dieser Rolle sehe ich auch die OER-Strategie des Bundes.

Mit der föderalen Struktur und Aufgabenteilung im deutschen Bildungssystem obliegen viele Entscheidungen zu konkreten Materialien und Infrastrukturen den jeweiligen Landesministerien. Insofern ist mir der begrenzte Handlungskorridor des Bundes bewusst. Die Strategie kann daher nur Leitlinien und -konzepte vorgeben sowie deren Notwendigkeit begründen. Hierüber erhalten die jeweiligen Landesministerien die nötige Grundlage, um politische Lösungen und Förderinstrumente auf Länderebene zu entwickeln, die neben der "bloßen Etablierung" von OER auch die Synergien der Länder untereinander nachhaltig nutzen lassen. Weiterhin wird es dem Bund möglich sein, den länder- und institutionsübergreifenden Austausch zum Thema OER zu unterstützen.

Ich habe versucht, meine Positionen auf dieser Grundlage zu formulieren und dem BMBF keine Vorschläge zu unterbreiten, die nicht oder nur stark eingeschränkt in dessen Kompetenzbereich liegen, was nicht bedeutet, dass sich hier nicht mehr erreichen ließe, wenn insbesondere die Kultusministerkonferenz an Synergien interessiert ist. Ein Vorbild für eine solche länderübergreifende Kooperation nehme ich bspw. bei der Umsetzung von Angeboten auf der Grundlage des Onlinezugangsgesetzes (OZG) wahr.

3. Konsequenzen für Einzelthemen der OER-Strategie im Themenbereich "Mensch"

Zugang

Zugangsbarrieren für Bildungsmaterialien entstehen oft bereits bei generellen Zugriffsmöglichkeiten. OER sind hier das überlegene Konzept, denn die Erlaubnis zur kostenfreien Verbreitung birgt das Potential, auch Menschen außerhalb der jeweiligen Bildungseinrichtungen und -kontexte Zugang zu den Materialien zu ermöglichen. Nach dem Prinzip "Öffentliches Geld – öffentliches Gut!" sollten Bildungsmaterialien, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden, unter einer freien Lizenz stehen. Neben dem damit verbundenen Potential zur Stärkung der Bildungsgerechtigkeit bieten sich so aber auch neue Möglichkeiten für die Entwicklung und den Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen von gewinnorientierten Unternehmen.

Differenzierte Ansprüche können aufgrund der Erlaubnis zur Bearbeitung von OER berücksichtigt und umgesetzt werden. So kann bspw. die (An-)Sprache oder auch eine regionale Verankerung der Bildungsmaterialien auf die jeweilige Zielgruppe individuell zugeschnitten werden.

Das BMBF sollte in der OER-Strategie die freie Lizenzierung von Bildungsmaterialien, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, zur Bedingung machen und somit zum Standard erklären. Dabei sollten der offene Zugang und die Möglichkeit zur einfachen Weiterverwendung der Bildungsmaterialien auch von der jeweiligen Infrastruktur unterstützt werden. Schon allein aus der föderalen Struktur und den unterschiedlichen Zuständigkeiten für Bildungsinfrastrukturen ergibt sich hier die Notwendigkeit für dezentrale vernetzte Ansätze, die formale Bildungseinrichtungen ebenso wie Museen oder NGOs einbinden. Zur nachhaltigen Pflege und Wartung sollte hierbei auf Open-Source-Software gesetzt werden.

Didaktische Verbesserung von Bildungsprozessen

Hier möchte ich auf Abschnitt 1 verweisen: OER sind eine lizenzrechtliche Antwort auf die Anforderungen von zeitgemäßen Bildungsprozessen. Diese erfordern eine aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten und die kreative sowie kollaborative Bearbeitung von Materialien. Daneben ermöglichen freie Lizenzen die Nutzung über die Grenzen traditioneller Bildungsszenarien hinaus, weil sie unabhängig von Urheberrechtsschranken für Bildungskontexte gültig sind. In offenen Bildungspraktiken (OEP) können Projekte etabliert werden, die über Bildungsbereiche, Alters- und regionale Grenzen hinausgehen.

Als regelmäßige “Teilgeberin” von Bildungs-BarCamps, und insb. auch als Vorstandsvorsitzende des EduCamp e.V., sehe ich den dort möglichen Austausch zu zeitgemäßen Bildungsthemen in keinem anderen Weiterbildungsformat realisierbar. Hier kommen Menschen aus unterschiedlichen Bildungsbereichen mit unterschiedlicher Expertise auf Augenhöhe zusammen, um bedarfsorientiert ein Programm zu gestalten, in dem thematische Einführungen für Neulinge ebenso möglich und willkommen sind, wie hochspezifische Diskussionen von Expertinnen und Experten mit jahrelangem Vorwissen. Bei den OERcamps wurden zudem weitere Formate wie Workshops, Werkstätten und Webinare erprobt, die ein vielfältiges Repertoire für den Austausch (nicht nur) um freie Bildungsmaterialien boten.

Das BMBF sollte die Aus- und Weiterbildung von didaktischen Kompetenzen fördern, die für den gestalterischen Umgang mit Materialien in offenen Lernszenarien nötig sind. Neben der Verankerung in den Aus- und Weiterbildungsprogrammen für Lehrende an formalen Bildungsinstitutionen sind auch bildungsbereichsübergreifende Qualifizierungen und regelmäßige Austauschmöglichkeiten nötig und wertvoll. Mit den OERcamps wurde eine solche Austauschmöglichkeit im Rahmen der OERinfo-Förderreihe ermöglicht. Solche und ähnliche Formate gilt es auch länderübergreifend fortzuführen.

Inklusivität

Ähnlich wie in der Diskussion um den Zugang zu Bildungsmaterialien können und dürfen OER bearbeitet werden, sodass sie an die Ansprüche aufgrund von geistigen oder körperlichen Einschränkungen sowie besonderen Förderbedarfen angepasst werden können. Dabei handelt es sich nicht nur um eine serviceorientierte Leistung, sondern in vielen Fällen ist die digitale Barrierefreiheit verpflichtend vorgeschrieben, bspw. für Hochschulen in der EU-Richtlinie 2016/2102 (http://data.europa.eu/eli/dir/2016/2102/oj). Für viele Medientypen und Inhaltsarten sind Maßnahmen zugunsten der Barrierefreiheit bekannt und etabliert (bspw. Untertitelung oder alternative Beschreibungstexte für Medien). Wo diese fehlen, dürfen sie durch OER ergänzt werden. Auch die Überführung in weitere Formate ist erlaubt.

Das BMBF sollte Maßnahmen zur Sicherung der Barrierefreiheit von Bildungsmaterialien fordern und fördern. Technische Unterstützungsmaßnahmen, wie die Definition von Alternativtexten als Pflichtfeld, sollen wo immer möglich in Bildungsinfrastrukturen umgesetzt werden. Weitere Hilfen wie Checklisten zur Barrierefreiheit sollten praxistauglich entwickelt und gut auffindbar bereitgestellt werden.

Lizenzfragen

Die Creative-Commons-Lizenzen haben sich für OER etabliert. Aufgrund ihrer starken Einschränkungen für bestimmte Nutzungsszenarien werden in der deutschen OER-Community die Lizenzbestandteile "non-commercial (NC)" und "no derivates (ND)" nicht zu den freien Lizenzen gezählt. Aus praktischen Gründen und vor allem zur Reduktion der Komplexität würde ich auch die Option "share-alike (SA)" nicht vorrangig für Bildungsmaterialien einsetzen. So kann das Themengebiet der Lizenzen stark vereinfacht werden.

Das BMBF sollte die Lizenzen CC0 und CC BY in den jeweils aktuellsten Versionen zur Bedingung für solche Bildungsmaterialien erklären, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden und somit zum Standard machen. Das Prinzip "Öffentliches Geld – öffentliches Gut" erweitert die unter Abschnitt 1 formulierte rechtliche und didaktische Notwendigkeit für OER um eine gesellschaftliche Perspektive.

Qualitätssicherung

Bildungsmaterialien unter einer freien Lizenz können prinzipiell von jeder und jedem erstellt und bereitgestellt werden. Das ist zunächst kein Problem, sondern ein Potential, das es auszuschöpfen gilt. Damit verbunden ist aber auch die Herausforderung, dass eine potentiell breite Vielzahl an Materialien mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten, medialen Umsetzungen und didaktischen Rahmenbedingungen bereitsteht. Für die Auswahl der passenden Materialien helfen Qualitätskriterien, nach denen diese Menge gefiltert werden kann. Die Qualitätssicherung kann dabei nach zwei Ansätzen erfolgen, die auch miteinander kombiniert werden können:

  1. während des Erstellungs- oder Kuratierungsprozesses und
  2. Community-basiert durch Nutzung und Bearbeitung.

Der erste Ansatz ist insb. aus der Arbeit von Lehrbüchern bekannt: fachliche Begutachtung, Lektorat, Textsatz, Rechteklärung für Abbildungen etc. werden hier optimalerweise von Fachpersonal übernommen. Das ist auch für OER ein möglicher Weg, denn die Ausgangsthese enthält an dieser Stelle einen Fehler: OER und klassische Verlagsprodukte sind keine Gegensätze. Verlagsprodukte können offen lizenziert sein – etablierte Verlage wie bspw. wbv, Cornelsen, Waxmann oder Beltz haben hierzu bereits mehrere Beispiele geliefert. Somit sind für OER die gleichen etablierten Qualitätssicherungsprozesse möglich und werden insb. dann wichtig, wenn Materialien von Institutionen bereitgestellt oder kuratiert werden. Vor allem in formalen Bildungsbereichen ist meiner Meinung nach die Kuratierung von Bildungsmaterialien passend zu Lehrplänen oder anderweitig definierten Curricula wichtig, um eine Überforderung der Lehrenden und Lernenden aufgrund der Vielzahl an mögliche Materialien zu vermeiden. Das Aufgabenfeld und damit der Markt für Verlage oder Agenturen für die Erstellung von OER wird dabei nicht beschnitten. Die Produktion, Anpassung und Aktualisierung von Bildungsmaterialien muss weiterhin angemessen vergütet werden. Bei der Vergabe von Aufträgen sind stets freie Lizenzen für das Ergebnis zu vereinbaren.

Die Erlaubnis zur Bearbeitung ermöglicht aber weitere Schritte zur Verbesserung oder Differenzierung von frei lizenzierten Bildungsmaterialien. Im Prozess können so Fehler behoben, Nutzungsbarrieren abgebaut, Medien- und Dateiformate passend überführt, regionale Kontexte angepasst oder weitere Änderungen vorgenommen werden, die anfänglich nicht optimal passende Materialien weiterentwickeln.

Das BMBF sollte einerseits die Qualitätssicherung von Bildungsmaterialien bei deren Produktion und Kuratierung einfordern, aber auch die prozesshafte Verbesserung und Differenzierung unterstützen. Beides sollte in Bildungsinfrastrukturen abgebildet werden können.

  1. BMJV (2020). Diskussionsentwurf zur Umsetzung der EU-Urheberrichtlinien vorgelegt. Pressemeldung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 24. Juni 2020. https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/062420\_Urheberrecht.html↩︎
  2. Fadel, C., Bialik, M. & Trilling, B.(2017). Die vier Dimensionen der Bildung: Was Schülerinnen und Schüler im 21. Jahrhundert lernen müssen. Übersetzt von J. Muuß-Merholz, ZLL21, Hamburg.↩︎
  3. Hierbei werden stets Bildungsmaterialien im Kontext öffentlicher Bildungseinrichtungen betrachtet, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden und werden. Bildungsmaterialien von und für Unternehmen sollen weiterhin der unternehmerischen Freiheit und wo nötig auch den Geschäftsgeheimnissen unterliegen dürfen.↩︎
  4. Dieser Punkt bezieht sich insbesondere auf die letzte These, bei der OER klassischen Verlagsprodukten gegenübergestellt wurden, obwohl dies keine Gegensätze sind: Auch Verlage können Produzenten von OER sein.↩︎

Öffentlich einsehbare Rückmeldung von Anja Lorenz zur OER-Strategie BMBF 2021 

Schriftliche Einreichung zum Themenbereich Technik ^ Mensch (Annett Zobel)

Einreichung von:

Zobel, Annett, Projektleitung WirLernenOnline
Vorstand edu-sharing.net e. V.

Kontaktmöglichkeit:

Telefon:  0160 95 30 30 11

Mail: zobel@edu-sharing-network.org

Meine Kernposition
auf den Punkt gebracht:
(max. 800 Zeichen)

  1. Aufbau eines Bildungsnetzwerkes zum Einsammeln, Bündeln/Aufbereiten und Verteilen von Lerninhalten insbesondere OER, aber auch Forschungs-, Kultur- u.a. bildungsrelevante Inhalte
  2. Länderlösungen als lokale Einsammel- und Verteilerknoten 
  3. Länderübergreifend: thematische(r) Sammelknoten (z.B. Physik, Kunst/Kultur, Bauwesen, Datenschutz), vorerst zentral, nach Erfahrungsausbau ggf. dezentral spezialisiert in Fachcommunities
  4. User-Vertrauensaufbau, u.a. mit qualitätsgesicherten Sammlungen (Fachredaktionen,  Nutzungsstatistiken /-feedback),
    (rechtlichen) Assistenten, Hilfe bei Problemen und Fehlern
  5. Gemeinsame Open-Source Software-Komponenten
    für Netzwerk-Betrieb und Standardisierung
  6. Netzwerk-Architektur und Governance durch erfahrene Akteure (gemeinschaftsbildende Förderung, gezielte Auswahl von Akteuren, Transfer in späterere Arbeitsteiligkeiten)
  7. Förderung Marktentstehung für konkurrierende / auf Arbeitsteiligkeit ausgerichtete Angebote (Inhalte/OER, Softwaretools, Dienstleistungen) 

Ich kann am Freitag, 23.4.2021 teilnehmen

Ja

OER ←-----→ Technik  

Welche technische Infrastruktur ist notwendig um OER in der Breite im Bildungsbereich verfügbar und nutzbar zu machen? Wie kann diese von Beginn an nachhaltig ausgestaltet werden und so Vorbildwirkung entfalten?

Einleitung: Für zeitgemäße Bildung in einer digitalen Welt sind OER eine wichtige Grundlage, denn die Materialien können vervielfältigt und verwendet werden, sie sind verarbeit- und vermischbar und verbesserte oder binnendifferenzierte Varianten können verbreitet werden. Gleichzeitig erzeugt die Vielfalt entstehender Materialien große Herausforderungen für deren Auffindbarkeit und Verwaltung. Obwohl in den letzten Jahren viele Lösungen entstanden, fehlen Lösungsbausteine, systematische Integration, flächendeckender Einsatz sowie Vernetzung von Entstehungs- u. Nutzungsorten. Es braucht:

  1. Förderung für Auffindbarkeit und Verwaltung von OER
    2. Softwareunterstützung im Erstellungs- und Nutzungsprozess sowie
    3. Homogenisierung und Mapping statt blinder Standardisierung

Vision In einer idealen theoretischen Welt gäbe es jede wissenschaftlich abgesicherte Information nur ein einziges Mal und würde von der (Wissenschafts)Gemeinschaft gepflegt. Auf diesen Informationen basierende Publikationen und Lernmaterialien würden sich automatisch ändern oder Überarbeitungsnotwendigkeit signalisieren, falls eine wissenschaftliche Erkenntnis überholt ist.  Lernende sollten alle offenen Informationen und Dokumente aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft finden und für Bildungsaktivitäten nutzen können, bis hin zu Forschungsrohdaten.

Erste Schritte Richtung Vision: Um Inhalte am Entstehungsort einzusammeln, sind dezentrale Sammelknoten nötig. Diese existieren in Teilen (z.B. RADAR / NFDI - Forschungsinhalte, DDB - Kulturinhalte, ZOERR und Schulcampus RP - Lerninhalte/OER aus dem Bildungsbereich eines Bundesland). Während in Forschungsnetzwerken Inhalte für wissenschaftliche Nutzungsszenarien gebündelt und aufbereitet werden, ist für den Bildungsbereich ein Netzwerk nötig, das vorhandene (auch aus anderen Netzwerken stammende) Inhalte (u.a. OER) für bildungsspezifische Nutzungsszenarien aufbereitet. Länderlösungen können in so einem Netzwerk OER/Inhalte z.B. aus eigenen Lernsoftwaresystemen einsammeln und an diese ausliefern. Länderübergreifend sollten themenspezifische Sammlungen organisiert werden sowie nur einmal im Netzwerk nötige technische Services. Ein zentrales Schaufenster könnte Statistiken wie den OER-Status in Deutschland zeigen sowie qualitätsgesicherte Themen-Sammlungen, eine Suchfunktion und die Bildungsraum-Prototypen (Initiative Bildung Digital) mit Lerninhalten versorgen.

Kooperation vs. Konkurrenz und Marktbildung: Für den Netzwerkaufbau ist die Kooperation von Expert:innen von Akteuren nötig, die in den letzten Jahren Konzepte und Teillösungen aufbauten. In einem gemeinschaftsförderndem Projekt sollten Wissensasymmetrien abgebaut und durch gemeinsame Governance und Architekturen die Basis für einen Markt von Angeboten aufgebaut werden.

1. Auffindbarkeit & Verwaltung: Systematischer Ausbau eines
Repositorien-/ Referatorien-Netzwerks mit dezentralen und zentralen Services

Die Etablierung von OER benötigt entsprechend der zuvorderst digitalen Natur der Materialien eine technische Infrastruktur, die die Speicherung, den Zugang und die Verteilung für die Anwendenden mit einer möglichst geringen technologischen Hürde ermöglicht. Daher soll ein flächendeckender Ausbau von angemessener technischer Infrastruktur befördert werden.


→  Frage: Ist ein zentrales Repositorium sinnvoll? Vs. Referatorium vs. Länderlösungen?

Landeslösungen je Bildungsbereich: Initiale Sammelknoten sollten entstehende OER sammeln, z.B. je Bildungsbereich und Bundesland. Ziel solcher Erstsammelstellen sollte sein, alle zur Wiederverwendung geeigneten Inhalte zu sammeln und verfügbar zu machen. 

Ein Positivbeispiel ist ZOERR, das über die Lernplattformen Baden-Württemberger Hochschulen Lerninhalte sammelt, redaktionell ordnet und Inhalte für weiterführende Referatorien bereitstellt. Ein zweites Positivbeispiel ist der Schulcampus Rheinland-Pfalz, der Inhalte aus dem Schulsystem sammelt und an das zentrale Referatorium WirLernenOnline weiterleitet. 

Parallel bündeln heute solche Landeslösungen Inhalte von außen, um die lokale Lern- und Autor:innenumgebung nach eigenen Lehrplan- o.a. Systematiken mit Inhalten zu versorgen. Bei weiterführender Professionalisierung könnte diese Versorgungsfunktion von thematisch oder bereichsspezifisch spezialisierten Sammelknoten übernommen werden. Theoretisch denkbar wäre auch ein zentrales Referatorium/Repositorium (Konzepte für Pluralität und gegen Mißbrauch nötig).

Gesammelt werden sollten die von Autor:innen veröffentlichten Inhalte mit all ihren Bestandteilen. Diese Rahmenbedingungen sollten generell in Förder- und Finanzierungsbedingungen einfließen, um Wiederverwendbarkeit zu gewährleisten. Die Punkte 3 und 4 werden bisher oft vernachlässigt und verursachen rechtliche und praktische Hürden:

  1. Metadaten (inklusive Urheberschafts- und Lizenzinformationen)
  2. veröffentlichte Datei (z.B.  das aus einem Textdokument erzeugte PDF)
  3. alle Quelldateien (z.B. das bearbeitbare Textdokument und die Quelldateien enthaltener Bilder. Denn Nachnutzende wollen das OER ändern somit auch Beschriftung innerhalb von Bildern)
  4. Einverständniserklärungen (z.B. fotografierte Personen) u.a. nötige Dokumentationen

Verfügbarmachen meint, dass weiterführende thematische Sammlungs- oder Auslieferungsknoten die Metadaten und die (Datei-)Inhalte selbst abrufen können. Das Verwalten von Metadaten macht Referatorien-Funktionalität am Netzwerkknoten nötig. Das nachhaltige, performante Bereitstellen von Dateien macht Repositorien-Funktionalität nötig (z.B. Auslieferung, Konvertieren/Abspielen, Redigieren). 

Der Aufbau von reinen Referatorien ist nicht empfehlenswert, da so die Repositorien- Funktionalität an die Entstehungs- / Lagerorte der Inhalte in den Bildungsorganisationen  verschoben würden. Dies würde die Lastfähigkeit von Lernplattformen der Schulen stören wenn viele Zugriffe von Außen erfolgen. Auch zwecks nachhaltiger Verfügbarkeit der Inhalte sind Repositorien essentiell, z.B. wenn Lernplattformen wegfallen oder an andere Adressen verschoben werden (broken links).

Initial sollte eine überschaubare Menge an Knoten (Referatorien/Repositorien) in so einem Netzwerk etabliert werden, damit in der Aufbau- und Professionalisierungsphase der Aufwand für Koordination und Wissensaustausch realistisch bleibt und politische Akzeptanz möglich wird. Denkbar wäre ein Knoten je Land und Bildungsbereich. Der Weiterbildungsbereich ist so diversifiziert, dass ggf. mit einem zentralen Knoten begonnen und sukzessive professionalisiert werden könnte. 

Paralleles Aufzeigen von Mehrwerten in einem zentralen Schaufenster-Netzwerkknoten (Zentrales Adressbuch) würde in einigen Jahren eine sachliche Diskussion zum Thema Zentralisierung vs. Dezentralisierung ermöglichen, Kooperationen beim Aufbau würde Gemeinschaftssinn fördern und neue Kooperationsmuster aufbauen (die aus meiner Sicht essentiell sind, um in einer globalen digitalen Welt wettbewerbsfähig zu sein).


https://www.youtube.com/embed/eBX6ZFD_eKk 

Qualitätsgesicherte Sammlungen sollten, ähnlich wie spezialisierte Bibliotheken oder Museen, je Fachgebiet (Physik, Bauwesen, Kunst/Kultur) und innerhalb des Fachgebiets je Lehrplanthema oder Sachthema (z.B. das Auge - Optik Physik vs.  das Auge - Organ Biologie). In vorerst zentralen Referatorien sollten Fachredaktionen redaktionelle Betreuung leisten (digital erfahrene Pädagog:innen, Wissenschaftler:innen und Praxisexpert:innen). Sinnvolle Konzepte wie Amtszeiten, demokratische Wahlmechanismen, Gamification, Community- und Wettbewerbsmodelle sollten hier implementiert werden (s. WirLernenOnline). Community-Aktivitäten sollten mit Sammeln und Verbessern, dies kann in Unterrrichtsformate integriert werden. (Aufbau von Gemeinschaftssinn: Wir - ein Netzwerk).

2. Open-Source-Software im gesamten Prozess

Open-Source-Technologien können dazu beitragen, dass Bildungsmaterialien unabhängig von spezifischen, proprietären Softwarelösungen sind.


→  Frage: Wie kann die Nutzung von Open-Source-Software im gesamten Erstellungsprozess von OER gefördert werden? Ist es überhaupt nötig? Um welche Art Software sollte es sich handeln?

“Zentrale“ Architekturkomponenten sollten Open-Source sein (Transparenz, kein Lock-in). Hierfür können bestehende Lösungen ausgebaut und verbunden werden. Innerhalb des Netzwerks braucht es einen freien Markt spezifischer Services (z.B. Editoren für Inhalteformate). Hier sollten  Open-Source Angebote gefördert, aber auch kommerzielle Alternativen zugelassen werden,
z.B. wenn eine freie Alternative verfügbar ist oder wenn eine komplett neue Innovationen ohne Open-Source-Alternative nicht blockiert werden soll. Nutzer:innen sollten in jedem Fall frei wählen können und die Gefahr von Lock-in Effekten angezeigt bekommen. (siehe auch Punkt 3 → )

Beispielsweise könnten Editoren für Textdokumente im Netzwerk andocken und Anbieter der Open-Source-Lösung OnlyOffice in Wettbewerb mit Microsoft-Angeboten oder Apple-Produkten stehen. Findet ein7e Nutzer:in einen Inhalt, sollte ihr7im angezeigt werden, ob dieses Format nachhaltig und offen ist, welche Bearbeitungs- und Abspieltools verfügbar sind.

Architektur-Komponenten (Beispiele)


Markt: Beispiele Einzelservices auf Basis von Compliance- und Schnittstellen-Vorgaben

  • Zentrale Netzwerkverwaltung (Zulassen von Quellen, Services, etc.) mit Erschließungs- und Redaktionsumgebung 
  • Metadatenstruktur-Vokabular-Verwaltung (z.B. SKOS)
  • Metadaten-Editor(en) auf Basis von Standards und Usabilityerfahrung
  • Nutzungsrechte- und Lizenzassistent sowie automatische Prüfmechanismen
  • zentrale übergreifende Börsen, Marktplätze, Austauschknoten (z.B. Such- und Find-Börse für Mitwirkung an OER-Produktion)

  • Editoren für Inhalteformate
  • Abspielservice für Inhalteformate
  • Konvertierung von Inhalteformaten
  • Plugins für Lernplattformen u.a. Systeme, zum Netzwerkanschluss 
  • Automatische Metadatengenerierung z.B. mittels Künstlicher Intelligenz / Maschine Learning
  • Metadaten-Mapping
  • automatische Datenschutzkontroll-Services

3. Standardisierung - technisch und politisch

Die Etablierung von OER benötigt einen globalen bzw. mindestens nationalen, einheitlichen Metadatenstandard, um Interoperabilität und Medienformattransferierung zu gewährleisten. Gleichzeitig wird eine einfach zu bedienende, quelloffene Technologie zur Erstellung, Bearbeitung und Vernetzung von OER benötigt.


→  Frage: Wie kann eine Standardisierung im föderalen Bildungssystem Deutschlands technisch und politisch gelingen?

Um ausreichende und gute Metadaten zu erfassen, braucht es keinen neuen Standard sondern Softwaretools, Redaktionsprozesse und Kooperation.
Bei Menschen versucht man nicht deren Sprache zu standardisieren, sondern macht Übersetzung intelligenter. Unsere Energie sollte nicht vornehmlich in neue Standardisierungen fließen, sondern in die Erzeugung nutzbarer Metadaten (Softwaretools zur Generierung, Redaktionen). Denn bei WirLernenOnline hat sich gezeigt, dass wenige Wochen intelligenter Redaktionsarbeit hilft, Maschinen das automatische Generieren von Metadaten beizubringen. Sind erst einmal sinnvolle Metadaten in irgendeinem Standard generiert, lässt sich dies heutzutage schon sehr gut in andere Formate übersetzen.

Ob ein Anbieter intern das Metadatenformat LOM oder EAF nutzt, ist weitgehend unerheblich, solange interne Informationen in extern verwendete Vokabulare und Strukturen übersetzbar sind. Dabei ist das Zielsystem wichtiger als der Standard. Wenn ein Quellsystem zwischen “Dozent”, “Trainer” unterscheidet und daraus unterschiedliche Funktionen resultieren,  sollte nicht auf den Standardwert “Lehrende” reduziert werden. Beim Austausch zwischen Systemen können Originalwerte mitgegeben werden, da das Zielsystem vielleicht zwischen “Professor”, “Seminarleitende” unterscheidet.

 

Die Mehrheit derzeitiger Metadaten enthält so wenig Information, dass Übersetzungs- und Generierungsmechanismen keinen Ansatzpunkt finden. Daher braucht es initial und begleitend Menschenkraft und zudem Softwaretools zur Generierung. Weitere Konzepte braucht es im Usability- und Erstellungs- / Nutzungsprozess. Denn falls Nutzer:innen um Metadaten gebeten werden, dann peu à peu im Erstellungsprozess, anregend, spielerisch, mit guter Usability. Metadaten lassen sich auch im Nutzungsprozess generieren. Hier gibt es mehr Konzepte als Umsetzungen und es Bedarf der Förderung. 

Eine gute Implementation solcher Mechanismen kann nicht von jedem einzelnen Autorenwerkzeug im Netzwerk geleistet werden:

Es braucht zentrale Services, die angeschlossene Systeme beim Einsammeln und Übersetzen von Metadaten unterstützen und ähnlich dem Bibliotheksbereich Fachredaktionen (Bibliothekare), die Lücken, zwischen der Eingabebereitschaft von Nutzer:innen und Maschinengeneratoren schließen (nur für ausgewählte qualitätsgesicherte Inhalte).
Angeboten werden sollte eine Softwarebibliothek und zentral nutzbare einbindbare Services sowie Beratung und Wissenstransfer. Ein Querschnittsprojekt, das an o.g. Schaufenster arbeitet, sollte dies leisten und z.B. folgende Services erarbeiten: 

  • Metadateneditoren / Erfassungsfunktionen
  • Lizenzsierungsassistent
  • Generierung eindeutiger Identifikatoren für ein Dokument (ähnlich ISBN), Urheber oder anderer Katalogwerte auf Basis von Normdaten
  • Metadatengeneratoren, Transkription von Audio, Bilderkennung etc.



Dankeschön,
dass Sie sich die Zeit genommen haben.




Es folgen weiterführende Links, falls Sie tiefer einsteigen möchten.

Links zu Weiterführendem


JOINTLY Kooperation / WirLernenOnline-Projekt

OER besser finden

Bestehende Konzepte und Lösungen

Autor:innen: Workshop-Teilnehmende seit 2013

LINK zum Dokument   Link zum Kurzvideo


JOINTLY Kooperation / AG Open Education

Agil fortgeschriebene Anleitungen und Infosammlungenk zu:

Wie können Online-Lerninhalte auffind- und nachnutzbar bereitgestellt werden?

Übersicht zu Good Practices für Bildungseinrichtungen und Einzelpersonen

LINK zum Dokument


JOINTLY Kooperation 

OERde Handlungsfelder 2018+

Ergebnisse der AG 1 und 2

LINK zum Dokument


JOINTLY Kooperation 

Video: OER-förderliche Infrastrukturen - Empfehlungen von Expert:innen

LINK zum Dokument



Öffentlich einsehbare Rückmeldung von Annett Zobel
zur OER-Strategie BMBF 2021