7. Netzwerk als Persönliche Lernumgebung nutzen
B. Ist-Stand, Vorarbeiten, State of Art
Das Konzept von Persönlichen Lernumgebungen (PLE) entstand um die Jahrtausendwende im Rahmen der Diskussion, wie traditionelle Strukturen, Rollen und Prozesse in virtuellen Lernumgebungen oder Lernmanagementsysteme (LMS) abgebildet werden können. Im Gegensatz fokussierte das Konzept von PLE auf die personenzentrierte Nutzung über mehrere Bildungsphasen hinweg - im Sinne eines persönlichen Wissensmanagements und der Vernetzung. PLEs wurden beispielsweise als Portable Agenten gedacht, die auf Basis einer Servicelandschaft Bildungsinhalte, -angebote oder persönliche Vernetzungs- möglichkeiten anboten.
In Ermangelung einer systematisierten, standardisierten Servicelandschaft und standardisierter Daten (bspw. Kompetenzklassifikationen) konnten sich PLEs am Anfang des Jahrhunderts nicht entwickeln. Stattdessen entstand ein Markt für eine Vielzahl spezialisierter Apps und Angebote aber nur eingeschränkte Möglichkeiten, übergreifend persönliches Wissen und Lernpfade und Bildungsjourneys zu managen.
Dies kann sich nun mit dem Aufbau eines auf Standards basierenden nationalen oder europäischen Bildungsnetzwerks ändern.
Hier entstehen nötige Grundlagen für PLEs. Somit könnte sich ein Markt für persönliche Agenten öffnen, bspw. als Erweiterung in mobilen Betriebssystemen oder als verbesserte Funktionen in Apps für Lern- und Wissensmanagement.
Bild: Konzept für Persönliche Lernumgebungen [Zauchner2010]
C. Nötige Arbeiten
Im BOERD-Projekt wurden bestehende Konzepte für PLEs gesichtet, auf aktuelle Rahmenbedingungen angepasst, weiterentwickelt und auf dieser Seite als UX-Screenentwürfe visualisiert und beschrieben.
Vorgeschlagen wird eine App oder eine in mobile oder andere Betriebssysteme integrierte Funktionalität mit 6 Bereichen:
- ein EDU-Wallet, dass persönliche Bildungs- u.a. Daten sicher verwaltet und nur mit Erlaubnis der Nutzenden an im Bildungsnetzwerk angeschlossene Services freigibt.
- Eigene Bildungs-Ziele, Kompetenzen wurden als 2. Funktion vorgeschlagen
- Im Bereich Kontexte, Gruppen können analog zur Fokus-Funktion auf Mobilgeräten Lehr- und Lernkontexte verwaltet werden. Würde so eine Funktion mit dem EDU-Wallet verbunden, könnten Freigaben datenschutzkonform automatisiert werden. Wird eine Person in einen Kontext, z.B. einen Lernkreis aufgenommen, erhält sie Zugriff auf Tools und Inhalte der Gruppe.
- Inhalte für dich bietet der Nutzer*in eine Such- und Vorschlagsfunktion, die alle Bildungsangebote- und inhalte im nationalen Bildungsnetzwerk erschließt, auf die die Nutzende Zugriff hat. Solch eine Funktion könnte auch zu Stores für Contents oder Tools führen.
- Dein Content mit Reuse-Infos gibt der Nutzer*in eine Zusammenschau all ihrer Inhalte in den diversen Dateiablagen und Onlinesystemen.
- Eine Lern-/ Lese-History speichert alle Lern- und Leseaktivitäten über alle im Bildungsnetzwerk vernetzten Services. Umgekehrt könnten Services im Netzwerk diese Lern- / Lesehistorie mit Erlaubnis der Nutzerin anfragen, um Bildungs- und Inhalteangebote an den Vorlieben oder Vorkenntnissen auszurichten. Solch eine persönliche serviceübergreifende Historie brächte auch außerhalb des Lernens Vorteile. Filmstreaming–Dienste könnten, falls die Nutzende über ihr Wallet bestimmte Informationsbereiche der Historie freigibt, erkennen, welche Filme die Nutzer*in schon bei anderen Diensten gesehen hat und ein optimiertes individuelles Angebot bereitstellen.
Lehr- und Lernkontexte
Ein Kontextservice sollte es jeder Nutzenden ermöglichen, ihre Lehr- und Lernkontexte zu verwalten.
Die App / PLE-Umgebung sollte ein Umschalten zwischen diesen Kontexten ähnlich der Fokus-Funktion erlauben.
Entsprechend dieses Kontexts könnten dann Filter auf Kontakte, Kommunikationsstränge, Inhalte und Angebote soie eine -nicht-stören-Funktion aus anderen Kontexten wirksam werden.
Befindet sich eine Nutzer*in in einem Kontext, kann sie über ihr Wallet der mit diesem Kontext verbundenen Bildungsorganisation erlauben, ihre Aktivitäten in dortige Learning Record Stores zu übernehmen, damit die Bildungsorganisation den Lernprozess optimal begleiten kann.
Auch Freigaben an in diesem Kontext entstehenden Dokumenten in verschiedensten beim Lehren und Lernen genutzten Services des Netzwerks könnten auf Wunsch automatisiert mit der jeweiligen Lehr- oder Lerngruppe geteilt werden. Dafür müssten die Services im Netzwerk die Kontexte von allen kooperierenden Nutzenden bspw. als Schlüssel erhalten.
Ein Kontext würde also als ein gemeinsamer eindeutiger Schlüssel zwischen der Gruppe festgelegt und in allen angeschlossenen Services mit dem damit verbundenen Rechte- und Rollenkonzept (Lehrende, Lernende) verwendet werden.
Erste Schritte als User Journey
Das ist Clara. Sie nutzt die App für die Nationale Bildungsplattform. Kurz nach Installation richtet sie die App ein.
Kontexte und Unterkontexte helfen Clara später, sich auf das aktuelle Lernthema zu fokussieren.
Wenn der Dienstag Nachmittag für ihre Physik-Lerngruppe reserviert ist, kann die App alle anderen Kommunikationskanäle stimm schalten und Ausnahmen für familiäre Notrufe erlauben.
Außerdem können Lerninhalte, Aktivitäten über alle Browser und Apps, die Clara nutzt einem Lernkontext zugeordnet werden. So kann Clara später gezielt in einer bestimmten Lernhistorie - also zu diesem Kontext - nachschlagen.
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Clara möchte ihren ersten Kontext in der App einrichten. Sie hat bei der Installation der App gelesen, dass ihr Kontexte viel Arbeit abnehmen und sie zum Beispiel Freigaben für Kursmitglieder nicht mehr manuell machen muss. | Clara hat den Bereich Kontexte aufgerufen. Hier ist in der frisch installierten App noch kein Kontext angelegt. Sie weiß, dass Bildungsorganisationen in der Nationalen Bildungsplattform automatisch Kontext-Schlüssel austeilen, über den Kurs- und Lerngruppen gebündelt werden. | Vielleicht hat ihre Bildungsorganisation ja schon das NBP-Plugin installiert und ist mit dieser Nationalen Bildungsplattform verbunden? Ja ! Clara hat ihre Universität gefunden. Damit ihre dortigen Daten, z.B. Zeugnisse und Lernstände in den Lernplattformen in ihrer App gespeichert werden können, muss sich Clara gegenüber der Universität autorisieren. |
4. Sie loggt sich also ein oder weist sich in anderer Form digital aus. Vielleicht hat sie von ihrer Universität ein Schreiben, in der ein individueller QR-Code die Verbindung ihrer App mit ihren Daten in der Universtität erlaubt. Geschafft. Clara ist autorisiert. Ab jetzt ist ihre App mit der Universität verbunden. | 5. | 6. Clara erlaubt ihrer Uni ihre künftige Lese- und Lernhistorie einzusehen, die sie in diesem Lernkontext "Hochschule" füllt. So können Vorschlagsfunktionen ihrer Hochschule Dokumente vermeiden, die Clara schon ausführlich durchgearbeitet hat. 7. Besonders interessiert ist Clara daran, ihre Lernkooperationen auf ihren Geräten selbst zu verwalten. Sie hat keine Lust jedes einzelne Dokument in irgendeinem Service des nationalen Bildungsnetzwerkes je Gruppenmitglied freizugeben. Sie importiert in Lernplattform und Messenger der Hochschule bestehende bestehende Gemeinschaften und die zugehörigen Kontext-Schlüssel. Nun kann sie mit diesen Lerngruppen neue Angebote in der Nationalen Bildungsplattform ausprobieren und mit einem Klick den Gruppenkontextschlüssel und Rollen an diese Anwendung transferieren. Andere Gruppenmitglieder können sich mit dem gleichen Schlüssel bei diesem Service anmelden und werden automatisch in der richtigen Rolle eingeschrieben und erhalten Freigaben auf Inhalte. |
Clara lädt alle ihre Bildungsdaten in ihren eigenen neuen Datensafe herunter. In der Uni ist viel über Clara gespeichert:
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Ausblick Persönliche Lernumgebung
Die Entwicklung einer Persönlichen Lernumgebung wurde für die Umsetzungsphase nicht priorisiert, da dies nicht das Kernarbeitsgebiet der beteiligten Entwicklerteams ist. Eine Umsetzung ist zudem nur attraktiv, wenn nationale und europäische Vernetzungen auf Basis von Standards erfolgreich waren. Attraktiv könnte eine Umsetzung von Betriebssystemherstellern sein, die u.a. die Fokus-Funktion und Wallet-Funktion ausbauen und Bildungs- und Wissensverwaltungsfunktionen in Betriebssystemen ergänzen könnten.
Der Detailgrad der Entwürfe wurde am Ziel Ideentransfer ausgerichtet.
Link zum Detailkonzept.
Das BOERD-Team fokussierte sich auf die detailliertere Ausarbeitung eines Integrationskonzepts für Lernplattformen und anderen Bildungsanwendungen.
Die Ausarbeitung von Konzepten und Klickprototypen befinden sich im Konzeptteil 3. "Integration Bildungsanwendungen".